Flexibilität, Flexibilität, Flexibilität

Die strikte Trennung von Arbeit und Rente ist inhuman und gefährdet die Altersversorgung

Von Ansgar Lange +++ Viele Babies, die heute geboren werden, haben gute Chance, 100 Jahre alt zu werden. Derzeit unterteilen wir das Leben der Menschen oft in drei Teile. In den ersten 20 bis 25 Jahren wächst man auf, wird erzogen, geht zur Schule, macht eine Ausbildung oder geht studieren. Danach folgen vielleicht 40 Jahre Arbeit. Im letzten Drittel folgt dann der Ruhestand, der auch rund 30 Jahre dauern kann.

Eine solche Darstellung ist natürlich schematisch und wird dem Einzelfall nicht gerecht. „Trotzdem ist dieses Denken noch in vielen Köpfen. Nach dieser Lesart sind die Menschen rund zwei Drittel ihres Lebens fremdbestimmt. Erst mit der Rente kommt dann angeblich der Spaß, wenn man sein eigener Herr oder seine eigene Frau ist. Eine solche Dreiteilung wird der Wirklichkeit aber nicht mehr gerecht. Viele Menschen empfinden ihre Arbeit – anders als vor 100 Jahren – nicht mehr als unmenschliche Fron. Ihnen macht ihre Arbeit Spaß. Sie würden gern auch jenseits der 60 oder 70 arbeiten. Und außerdem wäre eine solche strikte Dreiteilung auf lange Sicht auch gar nicht mehr finanzierbar. Wie soll denn eine Rente sicher sein, wenn ich 25 Jahre vom Einkommen der Eltern lebe, anschließend vielleicht nur 35 Jahre arbeite und dann 40 Jahre die Früchte meiner Arbeit ernten will“, sagt der Personalexperte Michael Zondler.

Wenn wir so weitermachen wie bisher, riskieren wir massive Altersarmut

„Ein starres Renteneintrittsalter von 67 führt genauso in die Irre wie die Rente mit 63“, meint der Geschäftsführer des Beratungsunternehmens centomo http://www.centomo.de mit Firmensitzen in Ludwigsburg und London. „Wenn wir so weitermachen wie bisher, dann gestalten wir unsere Arbeitswelt nicht human und menschengerecht und riskieren massive Altersarmut. Was wir brauchen, sind drei Dinge: Flexibilität, Flexibilität und noch mehr Flexibilität!“

Auch wenn sich das Wort nicht schön anhören mag, fordern Experten schon seit längerem eine „Altengleitzeit“ statt einer Einheitsrente. Zondler weiß aus seiner beruflichen Tätigkeit, dass sich immer weniger Arbeitnehmer von der Politik vorschreiben lassen wollen, wann sie in Rente zu gehen haben. „Es muss möglich sein, dass zum Beispiel Eltern weniger arbeiten können, wenn die Kinder noch klein sind. Und es muss ebenso möglich sein, dass sie mit über 70 vielleicht noch ein paar Stunden oder Tage pro Woche arbeiten. Mit mehr mitarbeitergerechter Flexibilität gewinne ich motiviertere und loyalere Mitarbeiter. Vielleicht werden dann sogar wieder mehr Kinder geboren, wenn man jungen Eltern bei der Arbeitszeit entgegenkommt. Und auf das Know How erfahrener Leute zu verzichten, nur weil sie graue Haare oder Glatze haben, ist doch kompletter Schwachsinn“, so der Personalexperte.

Ganz in diesem Sinne hat der Gründer des Demografieportals http://www.population.io., Wolfgang Fengler, jüngst in der Süddeutschen Zeitung mit den „Mythen der Rente“ abgerechnet. Fengler fordert eine Politik, „die viel mehr Alte in Arbeit lässt und so auch die Jungen fördert“. In der Realität seien in Ländern, in denen mehr alte Menschen beschäftigt seien, tendenziell auch mehr junge Menschen in Lohn und Brot. Es sei nicht nachvollziehbar, warum in Deutschland für einige Gruppen regelrechte Anreize geschaffen würden, relativ früh in Rente zu gehen, während gleichzeitig die Lebenserwartung weiter steige.

„Es wäre eine große gesellschaftspolitische Anstrengung wert, im Jahr 2016 den Schalter umzulegen von einer strikten Trennung von Arbeit und Ruhestand. Wir sollten der unseligen „Rentenpolitik“, die vielleicht früher mal ihre Berechtigung hatte, Adieu sagen und endlich die Arbeitswelt so human gestalten, dass sie den Bedürfnissen der Menschen entspricht und nicht den Vorgaben von Behörden, Amtsstuben und Ministerien“, so Zondler.

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