Expertenkommission schlägt teilweise Krankschreibung vor – was ist davon zu halten?
Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen.
Der Sachverständigenrat Gesundheit hat im Auftrag des Gesundheitsministeriums Maßnahmen zur Senkung der Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung erarbeitet. Darunter die Einführung einer so genannten teilweisen Krankschreibung. Was würde dies für die Praxis bedeuten?
Unter Hinweis auf Vorbilder aus Skandinavien schlägt der Sachverständige vor, künftig Arbeitnehmer gegebenenfalls nur noch zu einem bestimmten Prozentsatz arbeitsunfähig zu schreiben. Bislang ist man bei einer Krankheit entweder noch arbeitsfähig oder arbeitsunfähig. Je nachdem muss man entweder zur Arbeit erscheinen und seine volle Arbeitsleistung erbringen oder man kann zuhause bleiben. Künftig würde nicht mehr in allen Fällen eine solche hundertprozentige Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden. Ärzte hätten die Möglichkeit, Arbeitnehmer auch zu 75 % arbeitsunfähig, 50 % oder gar nur 25 % zu erklären. Das würde bedeuten, dass sich die vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitszeit entsprechend vermindert. Der Arbeitgeber müsste teilweise den Lohn weiterzahlen und die Krankenkasse würde nur noch den teilweisen Lohnausfall durch Krankengeld ersetzen.
Vorteile einer solchen Regelung:
Der Vorteil von Einsparungen beim Krankengeld liegt auf der Hand. Aber auch für viele Krankheitsbilder, zum Beispiel gerade psychische Erkrankungen, wäre ein anteiliger Verbleib im Arbeitsverhältnis für die Gesundung der Arbeitnehmer förderlich. Alle Erkrankungen, die die Anbringung der Arbeitsleistung lediglich erschweren, aber nicht unmöglich machen, könnten ebenfalls besser geregelt werden. Beispiel: wer sich wegen einer Erkältung nur schwer konzentrieren kann, kann möglicherweise noch etwas arbeiten. Er kann nur nicht mehr die volle tägliche Arbeitszeit ableisten. Bisher bleibt den Arbeitnehmer nichts anderes übrig, als sich vollständig arbeitsunfähig schreiben zu lassen. Andernfalls müssen Sie riskieren wegen Schlechtleistung abgemahnt oder bei gravierenden Fehlern sogar gekündigt zu werden.
Nachteile einer solchen Regelung:
Auch die heutige Praxis der Krankschreibung durch Ärzte ist recht unübersichtlich und undurchschaubar. Man hat den Eindruck, es gibt Ärzte, die schreiben jeden solange er will arbeitsunfähig krank. Umgekehrt gibt es Ärzte, die mit solchen Bescheinigungen sehr zurückhaltend sind. Wenn nun auch noch eine teilweise Arbeitsunfähigkeit bescheinigt werden würde, wäre die Differenzierung in der Ärztelandschaft vermutlich noch größer. In der Praxis werden auch Probleme entstehen, zum Beispiel bei Teilzeitarbeitern. Diese sind dann möglicherweise für Ihre ohnehin nur zu erbringende Teilarbeitszeit noch voll arbeitsfähig, während der Vollzeit tätige schon teilweise arbeitsunfähig geschrieben wird. Hier entsteht eine Ungleichbehandlung.
Fazit: Regelung wäre sinnvoll
Unter dem Strich halte ich eine solche Regelung bei vernünftiger Handhabung durch den Gesetzgeber für grundsätzlich sinnvoll. Die auftretenden Probleme müssen dann gegebenenfalls in der Praxis geklärt werden. In jedem Fall bietet sich für Arbeitnehmer die Möglichkeit auch im Krankheitsfall Kontakt zum Unternehmen zu halten und Arbeitswilligkeit zu demonstrieren. Für den stark zunehmenden Bereich der psychischen Erkrankungen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis, Überlastungssituationen und Ähnliches bietet sich ein praktikables Instrument. Die Kostenersparnis kommt dem Steuerzahler zu Gute.
23.12.2015
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